von Greta R. Kuhn
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14 Apr., 2020
Für jemanden, der gerne viel im Voraus plant, ist das Jahr 2020 ein wahrer Albtraum. Messebesuche, Seminare, Lesungen - alles abgesagt oder verschoben, und das über Monate hinweg. Mein Terminkalender gleicht einem Malbuch für Einjährige, alles, was ich feinsäuberlich noch zu Beginn des Jahres eingetragen hatte - Reisedaten, Hotelbuchungen, Termine - strich ich nach und nach immer frustrierter werdend durch. Das schmerzte und ist dennoch ein winziges Luxusproblem, im Kontext einer Zeit, in der sich die gesamte Welt im Ausnahmezustand befindet. Menschen erkranken und sterben an diesem neuartigen Virus, das keiner kommen sah. Industrienationen kollabieren vor der humanen Katastrophe. Sparprogramme haben in den vergangenen Jahrzehnten die Gesundheitssysteme vieler Länder an den Rande des Abgrunds gelenkt - nun hat ihnen das Virus den letzten Schubs verpasst. Wir selbst betrachten das aus unserer komfortablen Wahrnehmungsblase mit ungläubigem Blick und trauen unseren Augen nicht, wenn vor uns die bunten Graphen über den Bildschirm laufen. Vielmehr stumpft man jeden Abend um 20:00 Uhr bei der Tagesschau weiter ab, eine Nachricht ist schlimmer als die nächste, Hiobsbotschaften reihen sich aneinander. Es fallen Begriffe wie Triage (Selektion), Massengräber werden in Parks ausgehoben, Kühllastwagen stehen vor den Krankenhäusern. Plakative Sondersendungen bestimmen den Abend - die Krise wird aus allen Blickwinkeln durchleuchtet, diskutiert, seziert. Doch das hilft weder den Kranken, noch den zahllosen Helferinnen und Helfern, die Tag für Tag dafür kämpfen, dass unser System weiterlaufen kann. In solchen Situationen wird deutlich, dass das keine Berufe sind, sondern Berufungen. Ich habe bis jetzt sehr viel Glück gehabt und dafür bin ich unendlich dankbar. Niemand aus meiner Familie ist erkrankt, wir halten uns an die Maßnahmen, was uns in der aktuellen Situation leicht fällt. Nicht nur, weil wir gut von zu Hause arbeiten können und ausreichend Platz haben. Sondern auch, weil wir die Zeit gemeinsam in der Familie genießen können. Die Hunde freuen sich und meine Tochter sowieso. Nur die Sorgen sind mit so einem kleinen Lebewesen an der Seite größer geworden. Mein persönlicher Ausnahmezustand hat bereits mit der Geburt meiner Tochter im Dezember angefangen. Wegen der winterlichen Temperaturen haben wir es uns in unserem Nest gemütlich gemacht, Kontakte mit der Außenwelt beschränkten sich auf ein Minimum. Ich bin kein Fan davon, ein wenige Wochen altes Baby durch die Weltgeschichte zu zerren. Die Zeit gehörte uns alleine. Und dennoch hatte ich mich sehr auf unsere ersten Ausflüge gefreut, auf kurze Tapetenwechsel, neue Eindrücke. Ich bin jemand, der zum Schreiben Inspiration von außen braucht. Impulse. Fragmente der Wahrnehmung, die meine Kreativität ankurbeln. Diese muss ich mir jetzt auf anderen Wegen besorgen - oder einfach mal einen Gang herunterschalten. Mich auf das Wesentliche konzentrieren und das beste aus der Situation machen. Verpasst man denn wirklich etwas, wenn man nicht auf allen Hochzeiten tanzt? Hab ich tatsächlich einen solchen Zeitdruck bei meinem aktuellen Buchprojekt oder mache ich mir den selbst? Eins habe ich bisher aus der Krise gelernt - nichts ist Wichtiger als die Familie und die Gesundheit. Alles andere kann man gestalten, verändern oder neu anfangen. Wir werden sehen, was das Jahr uns noch bringen wird. Passt gut auf euch auf und bleibt gesund! Eure Greta